SPD-Manifest: Glaubwürdige Abschreckung ist nötig
Die AutorInnen des SPD-Manifests ziehen falsche historische Schlüsse. Putins Russland ist ein völlig anderes Land als die Sowjetunion.

D ie UnterzeichnerInnen des SPD-Manifests zur „Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung“ wollen an große historische Vorbilder wie Willy Brandt und Michail Gorbatschow anknüpfen. Doch der Vergleich hinkt.
Das Manifest bemüht konkret den INF-Vertrag von 1987 und verweist auf die damalige Abrüstung zwischen Ost und West. Doch der Unterschied ist: 1987 war Gorbatschow reformbereit, innenpolitisch unter Druck, aber gesprächsoffen. Die Sowjetunion war ein rationaler Verhandlungspartner, an Stabilität interessiert. Putin hingegen führt einen imperialistischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. Ein solcher Akteur ist kein Partner für „gemeinsame Sicherheit“.
Das Manifest meint, man dürfe keine „einseitigen Schuldzuweisungen“ vornehmen, und verweist auf den Nato-Einsatz im Kosovo oder die Irak-Invasion 2003. Nur: Die damaligen Fehler rechtfertigen nicht den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Täter-Opfer-Umkehr droht nicht nur die Ukraine ihrer Legitimität zu berauben, sondern auch den internationalen Rechtsrahmen auszuhöhlen. Wer diesen Krieg mit alter Nato-Kritik relativiert, schwächt die Prinzipien von Völkerrecht, territorialer Integrität und Menschenrechten.
Schließlich: Ohne Verteidigungsfähigkeit gibt es keinen Frieden, den Russland respektiert. Angesichts des russischen Krieges ist Sicherheitspolitik heute nicht mehr primär eine Frage des Dialogs, sondern der glaubwürdigen Abschreckung. Nur wer militärisch widerstandsfähig ist, kann Gespräche auf Augenhöhe führen. Einseitige Abrüstung schafft keine Deeskalation – sie signalisiert Schwäche und provoziert Aggression. Ein „Waffenstillstand“ zu Russlands Bedingungen würde nicht Frieden bringen, sondern Unterwerfung bedeuten – und den Bruch der Prinzipien, auf denen Europa steht.
ist Politikwissenschaftlerin und Mitbegründerin der Open Platform e. V. sowie der Allianz Ukrainischer Organisationen. Sie ist in der Ukraine geboren und lebt seit 2004 in Deutschland.
Friedenspolitik, die vor der Realität die Augen verschließt, schützt nicht – sie gefährdet. Wer Stärke ablehnt, macht sich nicht zum Vermittler, sondern zum Gehilfen der Gewalt.
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